Auf der Straße, Australien, Fotografie
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Straßenfotografie: die Rückkehr der Neunziger

Two girls wearing Doc Martens boots in summer

In den vergangenen Monaten in Australien hatte ich viel Zeit. Einen Großteil davon habe ich am Meer, im Park und auf Märkten verbracht. Und damit an genau den Orten, an denen sich junge Australier in ihrer Freizeit aufhalten. Dabei ist mir aufgefallen, dass die „Sheilas“ und „Blokes“ modetechnisch zum Look der Neunziger zurückgefunden haben. Mädchen tragen Jeansröcke mit Bündchen bis über den Bauchnabel, Samthüte à la Four Non Blondes und Shirts mit übergroßen Blumenprints. Abwaschbare Tattoos sind wieder in, ebenso Tattoo-Ketten um Hals, Oberarm oder Unterschenkel. Wahnsinn.

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Unter den jungen Herren spielen XXL-T-Shirts wieder eine große Rolle. Baseball-Kappen sitzen rückwarts auf den Köpfen und das ein oder andere Stirnband habe ich auch schon gesehen. Männlein wie Weiblein schmücken sich außerdem mit bunt verspiegelten, kreisrunden Sonnenbrillen. Doch nicht, dass das genug wäre. Nein, manche Brillen kommen obendrein mit 3D- Bildern von Peace-Zeichen oder Cannabis-Blättern daher. Eine sehr interessante Bestandsaufnahme der mäandernden Mode!

Schuhtechnisch greifen die Ladys zu schwarz-weißen Plastik-Plateau-Sandalen und weißen Socken. Doch nichts geht in Australien über Doc Martens – auch bei 26 Grad und Sommer-Sonnenschein. Mehr Neunziger geht echt nicht!

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Ich finde es faszinierend, wie vorhersagbar Mode doch ist – und das scheinbar in einem Rhythmus von jeweils 20 Jahren. In den Neunzigern war ich es, die ihre Mutter nach Überbleibseln der Siebziger im Kleiderschrank gefragt hat. Fassungslos machte mich ihre Antwort, dass sie nie im Leben damit gerechnet hätte, dass diese Mode ernsthaft noch einmal jemand in der Öffentlichkeit anziehen wollen würde. Kopfschüttelnd verbuchte ich diese der Zeit geschuldete Unaufmerksamkeit als Verbrechen am Modebewusstsein der nachfolgenden Generation.  Immerhin war ich der festen Überzeugung, dass die Mode der Siebziger die Königin aller Moden war, der wirklich einzige Style, der alle folgenden Ären überdauern würde. Teenager-Sorgen müsste man nochmal haben!

Foto-Challenge

Dieser Tage schüttle ich wieder den Kopf ob der Tatsache, dass jemand ernsthaft die Modejuwelen der Nineties zurück in die Öffentlichkeit trägt. Für mich jedoch hat diese Beobachtung zu meinem ersten Street-Photography-Projekt geführt, bei dem ich zielgerichtet innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens durch die Straßen spaziere und nach technischen und kreativen Vorgaben, die ich mir vorher selbst gesetzt habe, fotografiere. Das würde ich gern in Zukunft häufiger machen, mal sehen ob es klappt. Für mein erstes Projekt lautete die Aufgabe schlicht: Finde so viele Neunziger-Styles wie möglich…

*in 60 Minuten – fotografiere mit einer fixen
*Blende f5.6 und lass die Kamera den Rest regeln – verwende ausschließlich dein
*Teleobjektiv – und konvertiere die Aufnahmen später in
*Schwarz-Weiß.

Hintergrund

Die Fotos sind am Sonntag, dem 1. Dezember 2014, in Byron Bay, New South Wales, entstanden. Im Ort war viel los: Es waren Schoolies (Party-Time nach dem letzten Schultag für die älteren Schüler), die Sonne strahlte vom Himmel, das Meer war ruhig und warm, eine leichte Brise blies durch den perfekten Sommertag, die Leute waren extrem entspannt und lässig drauf.

Ich habe mich selbst an zwei verschiedenen Stellen auf der Jonson Street, der geschäftigsten Straße im Ort, postiert und von dort aus fotografiert. Außerdem bin ich den Strand auf und ab gelaufen und habe auch hier Ausschau nach Relikten der glorreichen Neunziger gehalten. Ein paar Leute schauten mir interessiert zu, niemand fragte, was ich da tue und warum. Auch hat sich niemand darüber beschwert, dass ich Menschen zu nahe trete – wie ich das immer befürchte, wenn ich auf der Straße fotografiere. Puuh, gut gegangen!

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Seht Ihr den Typ mit der Frisbee in der Hand und der goldenen Halskette? Vielleicht sind Frisbees ja in Australien nie aus der Mode gekommen. In Europa jedoch gehört der Trend für mich eindeutig in die Neunziger. Außer für Menschen mit Hunden vielleicht. Typisch Neunziger sind für mich hier außerdem die rückwärts gewandte Käppi und die Achsel-Shirts mit den breiten „Trägern“, ebenso die Sonnenbrille des Mädchens mit der Wasserflasche.

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Ein klassisches Neunziger-Accessoire: das Stirnband! Alter!!!

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Okay. Das ist vielleicht nicht unbedingt Neunziger, sondern einfach nur ein ziemlich cooles, altes Auto. Irgendwie hat es mich aber doch an die Neunziger erinnert: die schlichte, klare Form, die verchromten Teile am Kühler, die Stoßstange.

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Neon-Bikini (Schwarz-Weiß funktioniert hier nicht, schon klar), seltsam geformte Sonnenbrille. So Nineties! Außerdem mag ich die Komposition des Bildes, und wie sich das Posen für die Kamera langsam in Richtung Meer verjüngt.

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Schuhe! Schuhe! Schuhe! Achja, und: die Strumpfhosen in den Schuhen!!!

So viel Neunziger habe ich innerhalb einer Stunde aufstöbern können. Es hätte noch unendlich viel mehr zu fotografieren gegeben, aber mit dem Tele-Objektiv war ich eingechränkt, was Close-Up-Aufnahmen angeht und ich wollte schließlich auch innerhalb des zeitlichen Rahmens bleiben, um nicht zu viel Material zu generieren.

Bei Straßenfotografie mag ich es, wenn man die Bilder so authentisch wie möglich belässt. Deshalb gefällt mir auch Schwarz-Weiß hier so gut. Keine Farbdynamik, die künstlich hochgeschraubt wird, keine Weichzeichner, keine Korrekturpinsel. Ich habe die Bilder vignettiert und ein bisschen Körnung hinzugegeben, außerdem die Kontraste erhöht, um den starken Licht-Schatten-Kontrast des Mittagssonnenlichts zu betonen. So weit bin ich zufrieden mit den Bildern. Sie spiegeln die Stimmung des Tages sehr gut wider, finde ich. Ich bin jedoch gespannt, was ich in einem Jahr oder in zehn Jahren von ihnen halten werde.

Was mögt Ihr an Straßenfotografie? Seid Ihr eher die Bunt- oder Schwarz-Weiß-Fraktion?
Wie viel Nachbearbeitung sollte sein? Wo ist Schluss?
Wie sieht der kreative Rahmen aus, den Ihr Euch beim Fotografieren auf der Straße steckt?

Freue mich über Euer Feedback :-) !

3 Kommentare

  1. Hallo Sarah,
    über einen Umweg auf Deine Seite gekommen :) Deine Webseite, wie auch Deine Bilder gefallen mir ausgesprochen gut. Die s/w Bilder sind Dir gelungen! Guter Kontrast, Tonung, Körnung und Vignettierung. Die werden Dir sicherlich auch nach weiteren Jahrzehnten gefallen. Bei einigen Szenen, wie die Typen mit den Sonnenbrillen, bin ich ebenfalls in der Zeit zurück und dachte an den Film „The Lost Boys“ :)
    Liebe Grüße aus Lübeck
    André

  2. Ina sagt

    Hey! Das Auto ist wohl 90er! Damit fegt Alicia Silverstone im Cryin‘ Video von Aerosmith über die Straße 😀 Auch wenn es da schwarz ist, aber egal.

    • Sarah

      Hey Ina! Mannometer, du hast ja ein scharfes Auge 😉 Oder einen entlarvten Guilty-Pleasure-Song – haha. Das mit dem Automodell wusste ich noch gar nicht – umso cooler, dass es mir beim Neunziger-Shooten vor die Linse gefahren ist. Viele liebe Grüße!

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